WELCHE ARTEN VON LAWINEN GIBT ES?
Entsprechend ihrer Mechanik unterscheidet man grundsätzlich drei Lawinenarten: Lockerschnee-, Schneebrett- und Gleitschneelawinen.
Lockerschneelawine „trocken"
Eine Lockerschneelawine, oft auch als Lockerschneerutsch bezeichnet, kann trocken oder nass sein. Charakteristisch sind ihr punktförmiger Anriss und der birnenförmige Auslauf. Meist sind diese Lawinen eher klein und haben kaum das Potential, einen Menschen zu verschütten. Trockene Lockerschneelawinen beobachtet man häufig nach Neuschneefällen und in extrem steilem Gelände über 40°.
Lockerschneelawine „nass"
Nasse Lockerschneelawinen beobachtet man bei starker Erwärmung, oft aus steilerem Felsgelände ab etwa 35°. Einmal in Fahrt, können diese Lawinen auch in flachere Bereiche vordringen.
Staublawine
Sogenannte Staublawinen sind trockene Lawinen, deren Sturzbahn über größere Felsabbrüche verläuft. Die Schneemassen beschleunigen durch den freien Fall und vermischen sich mit der Luft. Je nachdem, wie viel Schnee über den Abbruch stürzt, können Staublawinen harmlos sein (Spindrift) oder eine enorme Druckwelle erzeugen – mit großem Zerstörungspotential. Häufiger kommen diese Lawinen in sehr hohen Gebirgen, bei niedrigen Temperaturen und großen Felsabbrüchen vor (Himalaya).
Schneebrettlawine
Die Schneebrettlawine ist die tödlichste Lawinenart für Wintersportler – ca. 98 % aller Lawinenopfer sterben in Schneebrettlawinen. Typisch ist eine markante Anrisskante von 20 bis mehreren hundert Metern Breite. Schneebrettlawinen benötigen eine Steilheit von mindestens 30° um abzurutschen, sind meist trocken und gleiten auf einer Schwachschicht ab. Voraussetzung dafür ist ein „gebundenes Schneepaket" (das Brett), das auf einer Schwachschicht (meist sehr weiche, kantige Schneeschicht) liegt. Wird die Schwachschicht gestört (z. B. durch Menschen oder Sprengung), breitet sich der Bruch in Sekunden aus, sodass die gesamte Tafel beschleunigt und abzurutschen beginnt.
Gleitschneelawine
Die Gleitschneelawine ist eine Sonderform von Lawinen und meist auf steilen Wiesenhängen (ab 27°) zu beobachten. Bei einer Gleitschneelawine gleitet eine Schneetafel auf einem Wasserfilm ab. Dieser entsteht, indem z. B. Feuchtigkeit aus dem Schnee zum Boden sickert und sich auf flachgelegtem, langhalmigem Gras staut (warme Gleitschneelawine). Teilweise kommt die Feuchtigkeit auch aus dem Boden (Feuchtwiesen) oder entsteht, wenn der erste Schnee auf sehr nasse Wiesenhänge fällt. Typischerweise bilden sich Risse oder „Schneemäuler" oberhalb der Tafel, bevor diese abrutscht. Gleitschneelawinen können weder durch Personen noch durch Sprengung ausgelöst werden. Ob und wann sie abgehen, ist kaum vorhersehbar.
WIE UNTERSCHEIDEN SICH DIE LAWINENARTEN?
Die Wissenschaft unterscheidet und definiert Lawinen primär nach ihrer Mechanik und ihrem Auslösemechanismus. Folgende drei Lawinenarten sind für uns Wintersportler von Bedeutung: Gleitschneelawine, Lockerschneelawine und Schneebrettlawine.
Diese drei Haupt-Lawinenarten können nach zusätzlichen Kriterien weiter unterteilt und noch genauer definiert werden, z. B. ob sie trocken oder nass sind, ob sie auf einer bodennahen Schicht oder einer im Schneepaket liegenden Schwachschicht abgehen, und ob sie sich auf ihrer Sturzbahn mit Luft vermischen oder eher „fließen“. Je nachdem spricht man entsprechend auch von Nassschneelawinen, trockenen Lawinen, Grundlawinen oder Staublawinen. All diese Unterarten sind jedoch einer der drei erstgenannten Lawinenarten zuzuordnen: Schneebrett-, Lockerschnee- oder Gleitschneelawine.
Um die Gefahren im Gelände zu erkennen und das Risiko angemessen bewerten zu können, ist es essenziell, dass man die verschiedenen Lawinenarten unterscheiden kann und die jeweiligen Auslösemechanismen versteht.
GLEITSCHNEELAWINE
Auch wenn Gleitschneelawinen oft aussehen wie Schneebretter, fordern sie sehr selten Opfer. Das liegt daran, dass sie nicht durch Wintersportler ausgelöst werden können. Als Faustregel gilt: nicht unnötig lange unter bereits abgegangenen Gleitschneelawinen oder Rissen in der Schneedecke aufhalten. Erkennen kann man die Gefahr von Gleitschneelawinen leicht an den typischen „Schneemäulern".
- Typische Risse oberhalb (Schneemaul)
- Nicht künstlich auslösbar
- Steilheit > 27°, oft in tiefen und mittleren Höhenlagen
- Rutscht auf Wasserfilm ab – meist auf steilen Wiesenhängen
- Fordert sehr selten Todesopfer
SCHNEEBRETTLAWINE
Schneebrettlawinen werden meist von Wintersportlern ausgelöst. 98 % der Lawinenopfer sterben in Schneebrettlawinen; dabei lösen 95 % ihre Lawine selbst aus. Der Bruch in der Schneedecke breitet sich rasant mit Geschwindigkeiten von 80 bis 200 km/h aus. Dabei kommt es zum Kollabieren der Schwachschicht und zum Abgleiten der Schneetafel.
- Typische linienförmige Anrisskante
- Abgetrenntes „Brett“ löst sich schlagartig
- Schollenartiges Abgleiten der Schneemassen (innerhalb von Sekunden)
- Steilheit > 30°
- Betrifft 98 % aller Wintersport-Lawinenunfallopfer
LOCKERSCHNEELAWINE
Lockerschneerutsche fordern etwa 2 % der Lawinentoten. Meist führen sie nicht zu einer Verschüttung mit Todesfolge, sondern zum Absturz über Felsgelände und zu mechanischen Verletzungen. Diese Lawinen treten häufig nur in extrem steilem Gelände auf – trockene Lockerschneelawinen nach Neuschnee, nasse bei einer markanten Erwärmung und bei Regen.
- Typischer punktförmiger Anriss und birnenförmiger Auslauf
- Kann nass oder trocken sein, meist aus extrem steilem Felsgelände
- Führt häufig zum Absturz, indem sie den Wintersportler mitreißt
- Steilheit um 40° (trocken), ab ca. 35° bei nassem Schnee
- Fordert ca. 2 % der Todesopfer
SKITOUREN-QUIZ: DIE LAWINENARTEN
Bist du fit? Oder wird die Luft dünn für dich bei unserem Skitourenquiz? Keine Sorge, unser Wissenstest ist genau dafür da, die wichtigen Basics für Schnee und Firn immer wieder durchzugehen, deinen Stand zu überprüfen und sich das Know-how nochmals zu verinnerlichen.
Welche Lawinenart ist auf dem jeweiligen Bild abgebildet?
Kreuze bei jedem Bild an, welche Lawinenart abgebildet ist. Es sind auch mehrere Nennungen möglich.
Gratulation
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DIE SCHNEEBRETTLAWINE
Schneebrettlawinen sind die dominante Lawinengefahr und die tödlichste Lawinenart für Wintersportler. In 95 % der Fälle werden Schneebretter von den Lawinenopfern selbst ausgelöst.
WIE FUNKTIONIERT EINE SCHNEEBRETTLAWINE?
Bei einer Schneebrettlawine gleitet die gesamte Schneetafel plötzlich ab. Einmal erfasst, ist es kaum mehr möglich, zu entkommen. Im Alpenraum sterben jährlich etwa 115 Personen in Lawinen, die allermeisten davon in Schneebrettern. Die Lawinengefahr ist keine Konstante. Es gibt sogenannte „Lawinenzeiten", also Phasen, in denen es aufgrund der Wetter- und Schneedeckensituation sehr gefährlich ist – das ist meist wenige Tage im Jahr der Fall. Davor und danach können oft recht sichere Verhältnisse herrschen. Es ist also wichtig, diese spezifischen Gefährdungs-Phasen zu erkennen. Räumlich variiert die Lawinengefahr häufig, und oft sind nur bestimmte Expositionen, Höhenstufen oder Geländeformen betroffen. Dadurch ist es grundsätzlich gut möglich, Gefahrenstellen meiden.
DIE „ZUTATEN“ EINER SCHNEEBRETTLAWINE
Ein Schneebrett ist ein „seltenes Ereignis". Damit eine Schneebrettlawine entstehen kann, müssen ganz spezielle Voraussetzungen gegeben sein. Nur wenn alle der folgenden vier „Zutaten" in der Schneedecke bzw. im Gelände vorhanden sind, kann es überhaupt zu einer Schneebrettlawine kommen.
- Ungünstige Schichtung (gebundener Schnee über einer Schwachschicht)
- Initialisierung (z.B. Skifahrer, der die Schwachschicht stört)
- Bruchausbreitung (Zusammenwirken von Brett und Schwachschicht)
- Steilheit >30° zum Abgleiten der Schneetafel
Nur wenn alle vier "Zutaten" gegeben sind, kommt es zu einer Schneebrettlawine
Schichtung
Die erste Grundvoraussetzung für ein Schneebrett ist eine „ungünstige Schichtung", das heißt, eine gebundene Schneeschicht liegt über einer Schwachschicht. Der Begriff „gebundener" Schnee ist dabei nicht mit „Pappschnee" gleichzusetzen. Bereits die lockeren, aber leicht verzahnten Kristalle von Neuschnee sind ausreichend „gebunden", um Spannungen weiterzugeben, was zur Auslösung führen kann. Typische Schwachschichten – also Schichten mit geringer Bindung zwischen den Schneekristallen – sind eingeschneiter Oberflächenreif, Tiefenreif (Becherkristalle, „Schwimmschnee“) oder kantige Kristalle. Den Ausbreitungsmechanismus eines Schneebretts muss man immer als Zusammenspiel zwischen dem „Brett" und der darunter liegenden „Schwachschicht" verstehen.
Initialisierung
Zweitens muss diese Schwachschicht initialisiert, also ausgelöst werden. Meist geschieht die Auslösung durch einen Wintersportler, der auf die Schwachschicht einwirkt und diese stört. Ob und wie leicht eine Schwachschicht gestört werden kann, hängt vor allem von der Dicke und der Härte des Schneebretts darüber ab. Ein Maß dafür ist die Einsinktiefe sowie die Tiefe der Schwachschicht.
Ausbreitung
Drittens kommt es darauf an, ob der initiierte Bruch sich auch ausbreiten kann. Ist das Brett ausreichend gebunden und die Schwachschicht darunter entsprechend labil, läuft der Bruch in Sekundenbruchteilen durch die Schneedecke. Bei Schwachschichten mit geringer Dichte (bestehend aus meist kantigen, großen und zusammenhaltlosen Kristallen), kann das Brett sehr weich sein und „ungebunden" erscheinen und trotzdem abgleiten. Bei einer eher resistenten Schwachschicht hingegen ist ein härteres bzw. besser gebundenes „Brett" nötig, damit es zur Bruchausbreitung kommt.
Steilheit
Viertens braucht es eine ausreichende Steilheit, damit die Schneetafel abgleiten kann. Für eine Schneebrettlawine muss die Hangneigung größer als 30° sein. Um abzugleiten und sich aus dem „seitlichen Verbund" lösen zu können, benötigt das Brett zudem eine gewisse Größe, mindestens 20 x 20 Meter. Der Median der beobachteten „Skifahrerlawinen“ zeigt eine Steilheit von 38° an der steilsten Stelle der ausgelösten Schneetafel.
Welche Bedingungen sind notwendig, damit Schneebrettlawinen entstehen können?
QUIZ: Zutaten einer Schneebrettlawine
Schneebrettlawinen sind die dominante Lawinengefahr und die tödlichste Lawinenart für Wintersportler. In 95 % der Fälle werden Schneebretter von den Lawinenopfern selbst ausgelöst. Ziehe die vier Zutaten für ein Schneebrett in den linken Bereich.
SKITOUREN-QUIZ: DIE SCHNEEBRETTLAWINE
Welche Bedingungen sind notwendig, damit Schneebrettlawinen entstehen können? Starte das Quiz mit "Klick" auf das Bild und ziehe die vier Zutaten für ein Schneebrett in den linken Bereich.
Ziehe die vier Zutaten für ein Schneebrett in den linken Bereich.
NORDEXPOSITION
HANGNEIGUNG ÜBER 30°
STARKER WIND
NEUSCHNEE
ZUSATZBELASTUNG
SCHWACHSCHICHT ÜBER GEBUNDENEN SCHNEE
LOCKERER SCHNEE
WEICHE GLEITFLÄCHE
BRUCHFORTPFLANZUNGSFÄHIGKEIT
GEBUNDENER SCHNEE ÜBER SCHWACHSCHICHT
NEUSCHNEE
TIEFE TEMPERATUREN BIS -10°C
SKITOUREN-QUIZ: DIE SCHNEEBRETTLAWINE
Welche Bedingungen sind notwendig, damit Schneebrettlawinen entstehen können? Starte das Quiz mit "Klick" auf das Bild und ziehe die vier Zutaten für ein Schneebrett in den linken Bereich.
Ziehe die vier Zutaten für ein Schneebrett in den linken Bereich.
NORDEXPOSITION
HANGNEIGUNG ÜBER 30°
STARKER WIND
NEUSCHNEE
ZUSATZBELASTUNG
SCHWACHSCHICHT ÜBER GEBUNDENEN SCHNEE
LOCKERER SCHNEE
WEICHE GLEITFLÄCHE
BRUCHFORTPFLANZUNGSFÄHIGKEIT
GEBUNDENER SCHNEE ÜBER SCHWACHSCHICHT
NEUSCHNEE
TIEFE TEMPERATUREN BIS -10°C