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RISIKOMANAGEMENT MIT DER GKMR-METHODE

GKMR IN DER TOURENPLANUNG 

STRUKTURIERTES RISIKOMANAGEMENT 

Risikomanagement beschäftigt sich immer mit der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr und mit den daraus resultierenden Konsequenzen. Das gilt auch für die Lawinenbeurteilung. Hierbei geht es darum abzuklären, wie wahrscheinlich ein Lawinenabgang ist, also wie groß die Gefahr ist. Gleichzeitig werden die möglichen Konsequenzen eines Abgangs betrachtet, also wie drastisch die Folgen einer Lawine wären. Durch gezielte Maßnahmen wie Entlastungsabstände, Sicherheitsabstände, Einzelfahren oder sichere Sammelpunkte ist es möglich, die Auslösewahrscheinlichkeit zu verringern und/oder die Konsequenzen abzumildern (z. B. indem sich immer nur eine Person im Gefahrenbereich befindet und ausreichend Helfer zu Seite stehen, die gegebenfalls Rettungsmaßnahmen ergreifen können).  

Alle drei Aspekte zusammen – Gefahr, Konsequenzen und Maßnahmen – bestimmen das Risiko. Abgekürzt kann man sagen: G x K – M = R. Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit einer Lawinenauslösung (G) mal deren Konsequenzen (K) reduziert durch mögliche Maßnahmen (M) ergibt das Risiko (R), das wir abschätzen müssen, um eine Ja/Nein-Entscheidung zu treffen. 

In der Phase der Tourenplanung haben wir oft noch keine eigenen Beobachtungen im Gelände gemacht. Zunächst geht es also darum, Informationen zum Gelände, Schnee, Wetter etc. zu sammeln. Wichtige Informationsquellen hierfür sind der Lawinenlagebericht, der Wetterbericht, topografische Karten, Führerliteratur, Schneeprofile sowie digitale Karten mit Geländesteilheit, Auslaufbereichen und Konsequenzen-Zonen, also Geländefallen (Gräben, Mulden, Abbrüche, Hindernisse), die zu einer großen Verschüttungstiefe und schweren Verletzungen führen können.

Mit der bewährten 3x3 Filtermethode stellt die Planung zu Hause oder auf der Hütte den ersten „Sicherheits-Filter“ bzw. die erste Ebene dar. Wir versuchen, uns ein Bild von der Gefahr und von den Konsequenzen zu machen: Passen die geplante Region bzw. die konkrete Tour zu den Verhältnissen, zum Gelände und zur Gruppe? Durch eine gute Planung können grobe Fehlentscheidungen von Anfang an vermieden werden.  

Im zweiten Filter bzw. auf der zweiten Ebene vor Ort werden erste Informationen aus dem Gelände gesammelt, also z. B. wie der Wind, das Wetter, die Sicht und die Neuschneemenge tatsächlich sind oder ob es Alarmzeichen wie Wumm-Geräusche, frische Lawinen oder Risse in der Schneedecke beim Spuren gibt. Wir können damit unser Bild aus der Planung korrigieren oder bestätigen. 

Im dritten Filter bzw. auf der dritten Ebene stehen wir am Einzelhang und müssen nun zur Entscheidung kommen: „Stop“ oder „Go“? Im Fall von „Go“ gilt es zu überlegen, wie man den Hang angehen bzw. befahren sollte. 

DAS ZUSAMMENSPIEL VON GEFAHR UND KONSEQUENZEN
DAS ZUSAMMENSPIEL VON GEFAHR UND KONSEQUENZEN

DAS ZUSAMMENSPIEL VON GEFAHR UND KONSEQUENZEN 

Egal ob in der Planung, vor Ort oder am Einzelhang – wir beschäftigen uns immer mit der Gefahr (Eintrittswahrscheinlichkeit einer Lawine) und mit den daraus resultierenden Konsequenzen. Entscheidend ist, welche Fragen wir uns zu beiden Faktoren stellen, und dass wir beide im Blick haben. Logisch: Mindestens einer der beiden Faktoren muss klein bzw. gering sein, um in einem vertretbaren Risiko-Level zu bleiben. 

GEFAHR, KONSEQUENZEN, MASSNAHMEN, RISIKO 

Die Wahrscheinlichkeit einer Schneebrettlawine ist äußerst schwierig einzuschätzen. Wir gehen zunächst von den vier notwendigen „Zutaten“ eines Schneebretts aus und stellen uns dann vereinfachten Fragen, um diese einschätzen zu können.  

GEFAHR KONSEQUENZEN MASSNAHMEN RISIKO

GEFAHR 

Ob ein Lawinenabgang wahrscheinlich ist, lässt sich über die vielzitierten „vier Zutaten“ einer Schneebrettlawine abschätzen. Diese sind: 

  1. Gibt es eine Schwachschicht mit einem Brett darüber (ungünstige Schichtung)? 
  2. Kann die Schwachschicht gestört werden (Initialisierung)? 
  3. Kann sich ein Bruch in der Schwachschicht ausbreiten (Bruchausbreitung)? 
  4. Ist die Steilheit (> 30°) ausreichend groß, so dass das Schneebrett abgleiten kann? 

Über die Schneedecke weiß man in der Planung in der Regel recht wenig. Somit sind die ersten drei Fragen noch schwer einzuschätzen. Beurteilen lassen sich in dieser Phase nur die Hangsteilheit sowie die Tatsache, ob sich der Hang in den vom Lawinenlagebericht genannten Gefahrenstellen befindet (Kernzone). 

Daher planen wir mit der 30°-Methode, die alle potenziellen Schlüsselstellen auf der Tour anzeigt – also alle Hänge mit mehr als 30° Steilheit – die in den vom Lagebericht genannten Gefahrenbereichen liegen.  

KONSEQUENZEN 

Die Konsequenzen eines Lawinenabgangs hängen maßgeblich von folgenden Faktoren ab: 

  1. Gibt es Geländefallen (Gräben, Mulden, Abbrüche, Hindernisse), die zu einer großen Verschüttungstiefe führen bzw. mechanische Verletzungen zur Folge haben könnten? 
  2. Wie groß ist der Hang über einem und wie weit würde man mitgerissen? 
  3. Wie dick könnte das Brett werden und wie viel Schnee kann in Bewegung geraten? 
  4. Kann sichergestellt werden, dass nur eine Person erfasst wird und dass andere Personen vor Ort sind, die schnell Rettungsmaßnahmen ergreifen können? 

In der Planung kann man anhand der Karte abschätzen, ob der anvisierte Hang eher groß oder klein ist und ob Staubereiche, Abbrüche oder Hindernisse eine Gefahr darstellen. Die mögliche Dicke und somit die Masse des Bretts lässt sich nur auf Basis der Schneedeckenbeschreibung aus dem Lagebericht oder aus Online-Schneeprofilen ermitteln. Ob sichere Sammelpunkte existieren und ob eine Einzelbegehung bzw. -befahrung möglich ist, kann über die Geländeform und die Hanglänge sowie den Routenverlauf grob eingeschätzt werden. 

Im Vergleich zur Gefahr sind die Konsequenzen in der Planung sowie am Einzelhang meist einfacher einzuschätzen. 

MASSNAHMEN

Zu den Maßnahmen zählen alle Einflussmöglichkeiten, die man hat, um eine Auslösung unwahrscheinlicher zu machen und/oder deren Konsequenzen abzumildern. 

Zum Beispiel kann eine Spurvorgabe, also wo genau man fährt bzw. geht, einen Einfluss auf die Initialisierung haben. Bei einem Altschneeproblem ist es oft günstiger, sich in Mulden oder in Bereichen mit viel Schnee zu bewegen, um möglichst weit von der Schwachschicht weg zu bleiben und somit eine Auslösung unwahrscheinlicher zu machen. Bei einem Triebschneeproblem hingegen gilt es, Rücken und Erhebungen zu suchen, denn dort liegt meist kein oder nur sehr wenig Triebschnee. 

Einzelfahren, Sicherheitsabstände und sichere Sammelpunkte helfen, die Konsequenzen einer Lawine abzumildern. Denn mehrere Verschüttete zu orten und freizulegen dauert wesentlich länger, als wenn sich alle um „nur“ eine verschüttete Person kümmern können. Und Zeit ist der entscheidende Faktor bei einer Lawinenverschüttung.

RISIKO 

Das Ergebnis aller drei vorgenannten Punkte – Gefahr, Konsequenzen, Maßnahmen – ist das Risiko,  mit dem man konfrontiert ist. Was die Risikobewertung schwierig macht, ist, dass es keine klare Grenze gibt wie z. B. eine konkrete Zahl oder ein klares Limit. Hinzu kommt, dass die Risikobereitschaft von Person zu Person sehr unterschiedlich sein kann.  

Wichtig ist in jedem Fall, dass das Risiko erkannt und offen kommuniziert wird und dass eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Risiko stattfindet. 

In der Tourenplanung kann uns das Tool „Passt die Tour?“ helfen, zu einer sinnvollen Risikoabschätzung und -bewertung zu gelangen. Mehr dazu erfährst du etwas später. 

PRAKTISCHE TOURENPLANUNG MITHILFE VON GKMR 

In der praktischen Tourenplanung mithilfe der GKMR-Methode gehen wir Schritt für Schritt vor:  

PRAKTISCHE TOURENPLANUNG MITHILFE VON GKMR
  1. SCHLÜSSELSTELLEN ERKENNEN
    Zunächst geht es darum, Schlüsselstellen zu erkennen, also die Hänge zu bestimmen, in denen eventuell mit Lawinen gerrechnet werden muss. 
  2. AUSLÖSEWAHRSCHEINLICHKEIT BEWERTEN
    Im zweiten Schritt muss die Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet werden, also wie wahrscheinlich es ist, dass es in diesen Hängen zu einer Schneebrettlawine kommt. 
  3. KONSEQUENZEN ABSCHÄTZEN
    Im dritten Schritt gilt es abzuschätzen, welche Konsequenzen ein Lawinenabgang an diesen Hängen hätte. 
  4. MASSNAHMEN PLANEN
    Anschließend geht es darum, mögliche Maßnahmen zu planen, die die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Konsequenzen verringern können. 
  5. RISIKO BEWERTEN 
    Schlußendlich müssen wir das Risiko bestimmen und zu einer Entscheidung kommen. Konkret: a) Wir können die Tour angehen; b) wir können die Tour versuchen, sollten an kritischen Schlüsselstellen aber eine Alternative („Plan B“) in petto haben; oder c) die Tour ist für die aktuellen Verhältnisse, das Gelände oder die Gruppe unpassend. Im letzten Fall müssen wir eine andere Tour ins Auge fassen. 
30° Methode 30° Methode 30° Methode

30°-METHODE: SCHLÜSSELSTELLEN ERKENNEN 

Mithilfe der 30°-Methode lassen sich potenzielle Schlüsselstellen identifizieren:  

  1. Wir filtern alle Hänge heraus, die über 30° steil sind und die wir betreten oder befahren wollen bzw. in deren Einzugsbereich wir uns bewegen.
     
  2. Hänge, die außerhalb der im Lagebericht genannten Gefahrenstellen liegen (Kernzone), können wir „entschärfen“, d. h. sie zählen nicht zu den Schlüsselstellen. Denn Schneebrettlawinen werden fast aussschließlich in den vom Lagebericht genannten Expositionen, Höhenstufen und Geländeformen beobachtet. Alle anderen Bereiche können dagegen als recht sicher betrachtet werden. 
     
  3. Zudem können wir Hänge in unserem Einzugsbereich, die oberhalb unserer Route liegen, die wir aber nicht direkt betreten bzw. befahren, „entschärfen“, sofern für diese Hänge ein Trieb- oder Nassschneeproblem besteht. Das bedeutet: Diese Hänge schließen wir nicht mit ein in die Bewertung, denn Fernauslösungen werden fast ausschließlich bei Alt- oder Neuschneeproblemen beobachtet; nur dann müssen wir im Auslaufbereich mit Lawinen rechnen. 
TOUR EINZEICHNEN 30° HÄNGE MARKIEREN NICHT RELEVANTE HÄNGE „ENTSCHÄRFEN“ FERNAUSLÖSUNG BEACHTEN

TOUR EINZEICHNEN 

Zunächst zeichnen wir unsere geplante Tour in die Karte ein. Entweder mit Bleistift in die Papierkarte oder mithilfe von Tourenplanungs-Apps (z. B. White Risk, Alpenverein Aktiv etc.) in eine digitale Karte  mit Hangneigungs-Layer. 

30° HÄNGE MARKIEREN

Nun bestimmen wir die Hangsteilheiten auf und direkt oberhalb unserer geplanten Route und markieren alle Hänge mit mehr als 30° Steilheit. 

NICHT RELEVANTE HÄNGE „ENTSCHÄRFEN“

Hänge, die nicht in den vom Lagebericht genannten Gefahrenbereichen liegen, können „entschärft“ werden. Das können zum einen Hänge sein, für die kein Lawinenproblem prognostiziert wird oder solche, die außerhalb der genannten Exposition, Höhenstufe oder Geländeform liegen. Hier sind Lawinenabgänge sehr unwahrscheinlich; wir behalten diese Hänge aber für die Bewertung vor Ort im Hinterkopf, sollte die Realität nicht mit der Prognose (LLB) übereinstimmen. 

FERNAUSLÖSUNG BEACHTEN

Zum Schluss betrachten wir die Hänge, die wir nicht betreten, von deren Auslaufbereich wir jedoch betroffen sein könnten. Hier können wir die Hänge „entschärfen“, bei denen keine Fern- oder Selbstauslösungen zu erwarten sind. Ob Fernauslösungen möglich sind, hängt vom Lawinenproblem ab: Bei einem Neuschnee- oder Altschneeproblem muss man mit Fernauslösungen rechnen, bei einem Temperatur- oder Triebschneeproblem nicht. Achtung: Wird generell vor Selbstauslösungen gewarnt, bleiben diese Hänge natürlich als Gefahrenstellen bestehen. 

JE STEILER, DESTO GEFÄHRLICHER 

Ob ein Lawinenabgang wahrscheinlich ist, lässt sich über die vielzitierten „vier Zutaten“ einer Schneebrettlawine“ abschätzen. Diese sind: 

  1. Gibt es eine Schwachschicht mit einem Brett darüber (ungünstige Schichtung)?
     
  2. Kann die Schwachschicht gestört werden (Initialisierung)?
     
  3. Kann sich ein Bruch in der Schwachschicht ausbreiten (Bruchausbreitung)? 
     
  4. ​​​​​​​Ist die Steilheit ausreichend groß, sodass die Schneetafel abgleiten kann (> 30°)? 

Über die Schneedecke weiß man in der Planung zu Hause noch recht wenig. Somit sind die ersten drei Fragen aus der Ferne schwer einzuschätzen. Beurteilen lassen sich in dieser Phase nur die Hangsteilheit sowie die Tatsache, ob sich der Hang in den vom Lawinenlagebericht genannten Gefahrenstellen befindet. 

„PASST DIE TOUR?“: EINFACHES TOOL ZUR RISIKOBEWERTUNG HANGSTEILHEIT ALS INDIKATOR KONSEQUENZEN ABSCHÄTZEN RISIKO BEWERTEN

„PASST DIE TOUR?“ 
EINFACHES TOOL ZUR RISIKOBEWERTUNG

Mit dem einfachen Tool „Passt die Tour?“ kann man das Risiko schon während der Planung einigermaßen gut einschätzen. Es umfasst die folgenden drei Aspekte: 

  • Auslösewahrscheinlichkeit: Über die vier Hangneigungskategorien (< 30°, ≥ 30, ≥ 35° und ≥ 40°) lassen sich die herausgearbeiteten Schlüsselstellen grob einteilen. 

  • Konsequenzen: Über vier Fragen lässt sich abschätzen, welche Konsequenzen drohen.  

  • Risiko: Indem die Konsequenzen und die Auslösewahrscheinlichkeit verknüpft werden, lässt sich ablesen, ob eine Schlüsselstelle als kritisch oder eher nicht kritisch einzustufen ist. 

HANGSTEILHEIT ALS INDIKATOR  

Wir können in der Planung schwer etwas zur Initialisierung und Ausbreitung sagen, deshalb vereinfachen wir das Ganze und schauen uns die Hangsteilheit als Indikator an, da die Hangneigung mit der Auslösewahrscheinlichkeit korreliert. 

Befindet man sich bereits vor Ort im Gelände bzw. auf der Hütte und hat man aus den Vortagen schon Beobachtungen sammeln können, sollten diese Informationen zur Schichtung, Initialisierung und Bruchausbreitung natürlich in die Bewertung einfließen. 

Ohne diese Anhaltspunkte muss man sich auf die Hangsteilheit begrenzen. Es ist nachgewiesen, dass ein Hang umso leichter ausgelöst werden kann, je steiler er ist. Daher teilt man Hänge nach ihrer Steilheit in vier Kategorien ein.  

  • Grün: < 30° 
  • Gelb: ≥ 30° (30°-34°) 
  • Orange: ≥ 35° (35°-39°) 
  • Rot: > 40° 

Die Auslösewahrscheinlichkeit und somit die Gefahr steigen mit zunehmender Hangsteilheit. 

KONSEQUENZEN ABSCHÄTZEN 

Die Konsequenzen werden durch vier relevante Fragen bewertet: 

  • Ist der Steilhang groß (> 60 Hm)?
    Bewertet wird, ob eine Auslösung in einer ernsten Verschüttung enden würde. Diese Information kann aus der Karte herausgelesen werden. 

  • Mächtiger Anriss möglich? 
    Oder anders gesagt: Wieviel Schnee kommt runter? Je mehr Schnee über einem ist, desto tiefer und schlimmer kann eine Verschüttung ausfallen. Hierzu sollte man die Zusatzinfos im LLB beachten. 

  • Gibt es Geländefallen?  
    Dazu zählen etwa Gräben unterhalb, die zu großen Verschüttungstiefen führen oder Hindernisse wie Abbrüche, Felsen oder Bäume, die Verletzungen nach sich ziehen können. Derartige Geländefallen, die die Folgen einer Erfassung verschlimmern, sind aus dem Kartenbild erkennbar. 

  • Keine sicheren Sammelpunkte? 
    Durch geeignete Sammelpunkte oder mithilfe einer geschickten Gruppenorganisation kann man vermeiden, dass mehrere Personen verschüttet werden. Gibt es keine sicheren Sammelpunkte, wirkt sich das negativ auf die Konsequenzen aus. 

RISIKO BEWERTEN

Um das Risiko zu bewerten, werden nun die Auslösewahrscheinlichkeit (Hangneigung) und die Konsequenzen (vier Fragen) miteinander verknüpft. Das heißt konkret: Wir sehen uns an, wie die nach ihrer Hangneigung grob eingeteilten Schlüsselstellen bei den vier Fragen zu den Konsequenzen „abschneiden“. Entscheidend ist, wie viele „Ja“-Antworten eine Schlüsselstelle erhält und in welche Hangneigungskategorie diese fällt. 

Eine Schlüsselstelle, die in die Kategorie ≥ 30° (gelb) gehört, also eine Hangsteilheit zwischen 30° und 34° hat, gilt als kritisch, wenn mindestens zwei Fragen mit „Ja“ beantwortet wurden. 

Bei einer Schlüsselstelle der Kategorie ≥ 35° (orange, Hangsteilheit 35°-39°) ist das Risiko bereits ab einer „Ja“-Antwort als kritisch einzustufen. 

Schlüsselstellen mit einer Steilheit von ≥ 40° sind grundsätzlich als kritisch zu bewerten, hier ist die Auslösewahrscheinlichkeit von vornherin hoch. 

Touren oder Varianten mit kritischen Schlüsselstellen ohne wirkliche Alternativen sind in der Regel nicht passend. Ein defensiver „Plan B“ ist insbesondere in Situationen hoher Auslösebereitschaft wichtig, z. B. wenn Skifahrerauslösungen oder spontane Lawinen zu erwarten sind.  

RISIKOBEWERTUNG AM BEISPIEL EINER TOURENPLANUNG 

Wir schauen uns nun die verbliebenen Schlüsselstellen an und bewerten deren Risiko. Falls das Risiko als kritisch einzustufen ist, gilt es zu überlegen, ob gezielte Maßnahmen an der betreffenden Stelle die Gefahr oder die Konsequenzen verringern könnten, z. B. Entlastungs- oder Sicherheitsabstände, sichere Sammelpunkte, im Spurbereich fahren, optimale Geländeausnutzung etc.  

Da Risiko immer das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr und deren Konsequenzen ist, müssen beide Faktoren in der Risikobewertung miteinander verknüpft werden. Mit anderen Worten: Ist die Auslösewahrscheinlichkeit hoch, müssen die Konsequenzen gering sein – und umgekehrt. 

DIE SCHLÜSSELSTELLEN BEWERTUNG HANG 1 BEWERTUNG HANG 2 BEWERTUNG HANG 3 TIPP HANGBEWERTUNG

DIE SCHLÜSSELSTELLEN 

In unserem Beispiel haben wir mithilfe der 30°-Methode drei Schlüsselstellen erkannt. 

BEWERTUNG HANG 1 

Hang 1 hat eine Steilheit von 37° und liegt somit in der Kategorie 35°-39°. Hier sollte maximal eine der vier Konsequenzen-Fragen mit „Ja“ beantwortet werden. In unserem Beispiel ist der Hang mit ca. 400 Hm zum einen sehr groß (> 60 Hm) und zum anderen befindet sich im Auslauf eine Rinne, die als Staubereich wirkt und die Verschüttungstiefe markant ansteigen lassen würde. 
Wir haben hier zwei „Ja“-Antworten zu den Konsequenzen und somit eine kritische Schlüsselstelle. Es empfiehlt sich also über einer Alternative nachzudenken (Umgehung, Alternativziel, „Plan B“). 

Dabei bietet sich an, den Hang im Abfahrtssinn rechts zu umgehen. Hier bleibt man außerhalb der vom Lagebericht genannten Gefahrenstellen und zudem bei einer Hangneigung unter 30°. Auch für den Steilhang oberhalb wird kein Lawinenproblem prognostiziert. Somit erscheint diese Möglichkeit als sichere Alternative. 

BEWERTUNG HANG 2 

Hang 2 hat eine Steilheit von 41°. Somit stellt dieser Hang auch ohne „Ja“-Antworten zu den Konsequenzen-Fragen immer eine „kritische Schlüsselstelle“ dar, da allein aufgrund der Steilheit ein kleiner Rutsch zum Absturz führen würde. In unserem Beispiel ist der Hang zudem sehr groß (> 60 Hm). Somit ist der Hang eine kritische Schlüsselstelle. Es empfiehlt sich also über eine Alternative nachzudenken (Umgehung, Alternativziel, „Plan B“). 

Ebenso wie bei der ersten Schlüsselstelle bietet es sich an, den Hang im Abfahrtssinn rechts zu umgehen. Hier bleibt man außerhalb der vom Lagebericht genannten Gefahrenstellen und zudem bei einer Hangneigung unter 30°. Für den Steilhang oberhalb wird ein mögliches Triebschneeproblem genannt. Der Triebschnee wird sich im oberen Bereich befinden, eine Fernauslösung aus dem flachen Bereich 400 Hm unterhalb des Grates ist somit sehr unwahrscheinlich. 

BEWERTUNG HANG 3 

Für Hang 3 wird ein mögliches Temperaturproblem prognostiziert. Der Hang ist mit 38° sehr steil. Hier sollte maximal eine der vier Konsequenzen-Fragen mit „Ja“ beantwortet werden. In unserem Beispiel ist der Hang mit 300 Hm sehr groß (> 60 Hm). Zudem würde uns eine Lawine in den darunter liegenden bewaldeten Bereich spülen – mechanische Verletzungen drohen (Bäume als Geländefalle). Der Hang ist damit eine kritische Schlüsselstelle. Auch hier bedarf es einer Alternative (Umgehung, Alternativziel, „Plan B“). 

Ebenso wie bei der ersten Schlüsselstelle bietet es sich an, den Hang im Abfahrtssinn rechts zu umgehen. Hier bleibt man außerhalb der vom Lagebericht genannten Gefahrenstellen und zudem bei einer Hangneigung unter 30°. Zwar mus man dann zurück zum Parkplatz etwas schieben, dafür hat man eine sichere Alternative. Zudem ist es gut möglich, dass bei einem frühzeitigen Aufbruch die prognostizierte Durchfeuchtung an dem Westhang noch nicht stattgefunden hat. Wir haben also gute Argumente dafür, dass der Hang kein Problem darstellen dürfte und zudem eine Umgehungsmöglichkeit ist.  

Tipp Hangbewertung

Bewertet man die Auslösewahrscheinlichkeit (Gefahr) als hoch, müssen die Konsequenzen gering sein. Ansonsten droht das Risiko einer ernsthaften Verschüttung. Sind beide Faktoren im mittleren oder gar hohen Bereich einzuordnen, sollte man eher eine Alternative wählen.

QUIZ: 30° METHODE 

Mit der 30-Grad-Methode werden die Gefahrenstellen erkannt und Schlüsselstellen festgelegt. Dazu werden alle Hänge über 30 Grad entlang und oberhalb der Route auf der Karte gesucht, unabhängig von der Gefahrenstufe. 

Schritt 1 Schritt 2
30° Methode

30° Methode

JETZT BIST DU AN DER REIHE!

Die vier Bausteine von GKMR sind: Gefahren erkennen und einschätzen, Konsequenzen abschätzen, Maßnahmen überlegen und das Risiko bewerten. Zunächst geht es darum, Schlüsselstellen zu erkennen, also die Hänge zu bestimmen, in denen eventuell mit Lawinen gerechnet werden muss. Doch wie genau musst du hier vorgehen?

Ziehe die Abläufe der 30° Methode in die richtige Reihenfolge!

Wir schränken unsere Auswahl auf die Hänge ein, die mit den im LLB benannten Gefahrenstellen übereinstimmen.
Potenziell gefährliche Stellen über 30°auf oder über der Route identifizieren.
Detaillierte Beurteilung der noch übrigen Schlüsselstellen.
Falls Fernauslösungen unwahrscheinlich sind, beschränken wir unsere Auswahl auf die Hänge, die wir begehen oder befahren.
Die geplante Route wird in die Karte eingezeichnet (Aufstieg, Abfahrt und Varianten).

Das war leider die falsche Reihenfolge! Versuche es nochmal!

Gratulation

Du hast das 30° Methode Quiz richtig beantwortet.

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PRAKTISCHES HILFSMITTEL ZUM DOWNLOAD 

Unter folgenden Link kannst du dir das Hilfsmittel "Passt die Tour" herunterladen. Dieses praktische Tool hilft dir dabei Schlüsselstellen in der Planung zu beweten, Gefahren und Konsequenzen zusammenzuführen und so das entsprechende Risiko abzuschätzen.