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LAWINENGEFAHR: DIE LAWINENBILDENDEN FAKTOREN
LAWINENBILDENDE FAKTOREN
WIE VERHÄLTNISSE, GELÄNDE UND MENSCH EIN SCHNEEBRETT BILDEN
Lawinen entstehen durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Die entscheidenden sind: Wetter und Schneedecke (Verhältnisse), Gelände, Mensch.
Das Wetter wirkt sich direkt auf die Schneedecke aus und prägt damit das aktuelle Lawinenproblem – bei Wind muss man z. B. mit Triebschnee rechnen, bei Schneefall mit einem Neuschneeproblem usw. Wetter und Schneedecke machen gemeinsam den Faktor „Verhältnisse“ aus.
Das Gelände begünstigt zum einen die Bildung von Lawinen, zum anderen ist es entscheidend dafür, welche Konsequenzen aus einem Lawinenabgang drohen. Ein Felsabbruch unter einem Steilhang etwa kann selbst bei einem harmlosen kleinen Schneerutsch eine tödliche Falle sein.
Unabhängig von der Lawinenart ist es der Mensch, der die Lawine in den meisten Fällen selbst auslöst, indem er sich in gefährdete Hänge begibt.
LAWINENFAKTOR VERHÄLTNISSE
Das Wetter prägt die Schneedecke. Beides zusammen bildet den Faktor „Verhältnisse“ – ein entscheidender Parameter für die Lawinengefahr.
VERHÄLTNISSE - ZUSAMMENSPIEL VON WETTER UND SCHNEEDECKE
Die Schneedecke wird vom Wetter, also von Wind, Temperatur, Sonnenstrahlung und Niederschlag geprägt. Als „Verhältnisse" bezeichnet man das Zusammenspiel der Faktoren „Wetter“ und „Schneedecke“.
Wind, früher oft als „der Baumeister der Lawinen" bezeichnet, verfrachtet Schnee und bildet „Schneebretter". Die Temperatur beeinflusst die Schneedecke; sie begünstigt die Bildung von Schwachschichten oder führt zur Erwärmung in der Schneedecke und in der Folge zu deren Destabilisierung. Auch die Strahlung der Sonne beeinflusst die Schneedecke. Indem sie die oberen Schichten erwärmt, werden diese durchfeuchtet und können anschließend gefrieren. Niederschlag – in Form von Neuschnee oder Regen – lässt die Lawinengefahr häufig ansteigen. Durch eine neue Schneeschicht bildet sich möglicherweise ein Schneebrett. Regen durchfeuchtet und schwächt die Schneedecke. Beides – Regen und Schnee – stellt eine Zusatzbelastung dar.
WETTER
Niederschlag bildet und beeinflusst die Schneedecke über den Verlauf des Winters. Die Neuschneeschicht ist anfangs oft schlecht mit der Altschneeoberfläche verbunden. Daher steigt während oder kurz nach dem Schneefall in der Regel auch die Lawinengefahr. Neuschnee bedeutet zudem eine Zusatzlast für die Altschneedecke. Auch Regen stellt eine Zusatzlast dar und erwärmt und durchfeuchtet die Schneedecke. Während einer Niederschlagsperiode sind Neuschneemenge, Temperatur und Wind die Hauptfaktoren für die Entwicklung der Lawinengefahr. Bei einer ungünstigen Kombination dieser Faktoren spricht man von einer „kritischen Neuschneemenge“ – ein Anstieg der Lawinengefahr ist zu erwarten.
WINDVERFRACHTUNGEN
Der Wind als „Baumeister der Lawinen" sorgt für die Entstehung sogenannter Triebschneelinsen. Windverfrachteter Neu- oder Altschnee ist besonders spröde und eignet sich hervorragend als „Brett". Dieser Triebschnee kann Spannungen optimal weiterleiten und so zur gefürchteten „Bruchausbreitung“ führen.
WIE GEFÄHRLICH IST ES?
Triebschnee ist dann gefährlich, wenn sich innerhalb oder direkt unter dem Triebschneebrett eine Schwachschicht befindet. Zudem kann durch die Zusatzlast einer entstandenen Triebschneelinse auch eine tiefer liegende Schwachschicht in der Schneedecke überlastet werden.
SCHNEEDECKE
Die Schneedecke ist nicht überall gleich. Abhängig von der Hangexposition und Höhenstufe, aber auch von der Geländeform liegt mal mehr, mal weniger Schnee. In schattigen Bereichen ist die Schneedecke oft locker, in Sonnenhängen gesetzt und kompakter oder mit einer Harschkruste versehen. Diese räumlichen Unterschiede sorgen dafür, dass es Gefahrenstellen gibt und Bereiche, in denen kaum Lawinengefahr besteht.
Der Lawinenlagebericht beschreibt sogenannte Gefahrenstellen unter anderem mithilfe der Expositionsrose. Es ist häufig zu beobachten, dass nur in bestimmten Sektoren der Expositionsrose Lawinen ausgelöst werden können.
UMWANDLUNGSPROZESSE
Die Schneedecke ist kein statisches Gebilde, sie ändert sich laufend. Schneekristalle wandeln sich permanent. Man spricht von drei möglichen Umwandlungsprozessen in der Schneedecke: aufbauende Umwandlung, abbauende Umwandlung und Schmelzumwandlung.
LAWINENFAKTOR GELÄNDE
Das Gelände hat zwei Bedeutungen für die Risikobeurteilung. Zum einen gibt es Geländeformen, die Schneebrettlawinen begünstigen, zum anderen bildet das Gelände oft sogenannte Geländefallen.
LAWINENGELÄNDE
Man beobachtet Schneebrettlawinen besonders häufig in planen, ebenen Hängen oder in leicht konkaven Hangformen wie Mulden und weitläufigen Rinnen. Auf Rücken, in engen Rinnen und Couloirs oder in stark kupiertem Gelände sind Schneebrettlawinen dagegen seltener. Das liegt daran, dass die Bruchausbreitung am besten funktioniert, wenn die Schneedecke möglichst homogen ist, d. h. kaum Höhenunterschiede innerhalb der Schneedecke bestehen. Zudem benötigt ein Schneebrett eine gewisse Größe (> 20 x 20 m) und eine Mindeststeilheit von 30°. Am häufigsten beobachtet man Schneebrettlawinen bei 38° Hangneigung.
STEILHEIT UND VERTEILUNG HANGNEIGUNG
Von Skifahrern ausgelöste Lawinen gehen im Mittel bei einer Hangneigung von 38° ab. Vereinzelt beobachtet man Schneebrettlawinen bereits ab 30°. Darunter bleiben ausgelöste Schneebretter auf Grund der Reibung liegen. Bei geringerer Hangneigung hört man lediglich ein Setzungsgeräusch (Wumm-Geräusch) – ein Alarmzeichen dafür, dass eine Auslösung sowie eine Ausbreitung stattgefunden haben. Dass die Schneetafel nicht abgleitet, liegt nur an der fehlenden Steilheit.
HANGEXPOSITION UND HÖHENLAGEN
Oft liegen Gefahrenstellen in bestimmten Hangexpositionen und Höhenlagen. In Nordhängen ereignen sich etwa doppelt so viele Lawinenunfälle wie in Südhängen. Allerdings ist nicht bekannt, wie die jeweiligen Hangexpositionen verhältnismäßig frequentiert sind.
TOPOGRAFIE ALS MÖGLICHER GEFAHRENBRINGER
Das Gelände beeinflusst das Lawinenrisiko in zweierlei Hinsicht. Zum einen beobachtet man Schneebrettlawinen vor allem in homogenen, flächigen und leicht konkaven Hangformen. Wind und Gelände bestimmen zudem die Leebereiche, in denen sich gefährliche Schneebretter befinden. Zum anderen bilden Abbrüche, Felsen oder Bäume oft lebensbedrohende Geländefallen. Gräben, Mulden oder Staubereiche im Auslauf von Lawinenhängen führen zudem zu großen Verschüttungstiefen, was mehr Todesopfer zur Folge hat.
Auch die Hangform hat einen Einfluss auf die Lawinenbildung. Besonders häufig ereignen sich Lawinenunfälle in großen, homogenen und leicht konkaven Hangformen sowie in breiten Rinnen und Mulden. Seltener gefährdet sind konvexes oder kupiertes Gelände.
GELÄNDEFALLEN - KONSEQUENZEN
Das Gelände hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verschüttungstiefe und auf mechanische Verletzungen. Man spricht deshalb von „Geländefallen“.
Gräben, Mulden und Hindernisse im Auslaufbereich erhöhen die Verschüttungstiefe und verkleinern damit die Überlebenschance. Hindernisse wie Abbrüche, Felsen oder Bäume in der Zugbahn der Lawine führen oft zu tödlichen Verletzungen (Foto B. Reuter).
LAWINENFAKTOR MENSCH
Ein lawinengefährdeter Hang ist an sich kein Problem – es ist der Mensch, der diesen zum Problem macht, indem er sich nähert.
LAWINENBILDENDER FAKTOR: MENSCH
Neben der Schneedecke und dem Gelände wird der Mensch als entscheidender Parameter für Lawinenunfälle (zu) oft vergessen. Dabei sind es fast immer Menschen, die Schneebretter auslösen. Neben den „Hard Facts" wie Verhalten, Gruppengröße oder Können sind es nicht selten „Soft Skills" – Gruppendynamik, Motivation, fehlende Kommunikation und Objektivität – die ihren Beitrag zu Lawinenunfällen leisten.
HARD FACTS – SOFT SKILLS
Es ist immer hilfreich sich klassischer Gruppenphänomene bewusst zu sein, wenn es zu Lawinenentscheidungen kommt. In der Gruppe fühlt man sich meist sicherer als allein, wird dadurch tendenziell mutiger und risikofreudiger. Gerade in großen Gruppen kommt hinzu, dass sich oft der oder die Lauteste durchsetzt. Ein offenes Gruppenklima, transparente Kommunikation und das Gehör auch für die „leisen Stimmen“ in der Gruppe helfen, an kritischen Punkten eine gute Entscheidung zu treffen.
Auch Verzicht kann ein Erfolg sein – vor allem im Bergsport!